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Donnerstag, 3. März 2016

"Sayonara Bulle" von Carsten Germis


Wenn man als Kriminalkommissar in Peine 30 Jahre lang Raufereien und Fahrraddiebstähle aufgeklärt und plötzlich nach Tokio zur dortigen Mordkommission "weggelobt" wird, stimmt etwas nicht. Bernie Ahlweg ist anfangs entsetzt, dann sieht er das Jahr in Japan als Chance, seine Weltsicht über den Tellerrand Niedersachsens hinweg zu erweitern. Und los geht’s mit dem Super-Bullen. Innerhalb der sieben Wochen bis zu seiner Abreise lernt er so gut Japanisch, dass er Katakana (das japanische Lautalphabet) lesen und sich mündlich verständlich machen kann. In Tokio wird er von seinem neuen Vorgesetzten mit der gleichen" Begeisterung" empfangen, mit der er in Peine weggelobt wurde. Die ihm zur Seite gestellte Polizeikommissarin Yoko Fukuda will Karriere machen. Genau wie Bernie ist sie gern auf eigenen Faust unterwegs. Aus einem natürlich aussehenden Tod einer 92-jährigen alten Dame wird dank Bernies kriminalistischem Scharfsinn ein Mordkomplott, das die beiden wichtigsten Gruppen der Yakuza, die Spitze der japanischen Polizei und Politik erschüttert. 

Sehr gut gefallen hat mit an der Geschichte, wie immer wieder europäische und japanische Lebensart aufeinanderprallen. Das verleiht der Story von Superbullen einen Charme, dem man sich nur schwer entziehen kann. Bernie lässt fast kein Fettnäpfchen aus, hat aber als Ausländer so etwas wie Narrenfreiheit, wodurch er Dinge sagen darf, die ein Japaner nie zu fragen wagen würde. Tokio blieb mir etwas zu blass. Das Tor des Kaiserpalastes, die Jogger dort, die übervollen Bahnen zur Rushhour und die Gassen mit den bunten Lampions der Kneipen ... das war’s fast schon. Ansonsten hätte es auch Peine gewesen sein können. Vom Riesenmoloch der 13 Millionen-Stadt war wenig zu spüren. Der Autor legt besonderen Wert auf das Zwischenmenschliche, auf all die kleinen Alltäglichkeiten, bei denen die Japaner anders ticken als wir Europäer. Und das kommt wirklich gut rüber. Zum Beispiel, dass gewisse Worte wie "Prostitution" oder "Yakuza" von den Japanern gar nicht ausgesprochen werden, sondern umschrieben oder mit blumigen Begriffen ersetzt werden. Wassergewerbe ... Auch der Einfluss der Yakuza auf den japanischen Arbeitsmarkt oder die Regeln der "freien Presse" in Japan werden verständlich und wie nebenbei erklärt. 

Bernie ist einerseits eine sympathische Figur, eher so der typische Loser-Typ, der mit dem Leben schon abgeschlossen, es sich in seiner Beamtenrolle bequem gemacht hatte und dessen Höhepunkte in Peine die Skatrunden in seiner Stammkneipe "Härle-Ecke" waren. Anderseits startet er in Tokio so durch, dass es wenig glaubwürdig wirkt, so wie viele der Konstruktionen dieser Geschichte. Das Hotel, in dem Bernie untergebracht ist, Polizeigebäude, die neue Lieblingskneipe (eine Art japanisches "Härle-Eck") und der Tatort liegen in der Riesenstadt Tokio fußläufig nur wenig hundert Meter auseinander. Bernie erreicht auf seine europäisch tapsige Art, was der gesamten japanischen Polizei nicht gelingt. Er findet Leute, nach denen gefandet wird, im Alleingang, gewinnt das Vertrauen der eines hohen Yakuzza usw. ... Irgendwie hat Bernie etwas Lausbubenhaftes. Niemand kann ihm wirklich böse sein und mit seinen kleinen Tricks löst er den Fall dermaßen, dass die "Guten" ihr Gesicht nicht verlieren. 

Alles in allem hat mich dieser Krimi sehr gut unterhalten, spielt die Geschichte in einem Rahmen, der im Gedächtnis bleibt und bietet Raum für eine Fortsetzung. 

Fazit: 4**** und Empfehlung für alle Japan-Freunde.

Das Taschenbuch aus dem Rowohlt-Verlag hat 336 Seiten und kostet 9,99 Euro. Das E-Book ist zum selben Preis erhältlich. 


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