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Samstag, 19. September 2015

"Wie ein fernes Lied" von Micaela Jary

Auf dieses Buch wurde ich durch das Cover aufmerksam. Geheimnisvoll, sehnsuchtsvoll versprach es einen Blick in eine vergangene Zeit.
Mit dem Swing hatte ich mich bis dahin noch nie befasst, fand aber sehr interessant, von den Swing-Kids der 1930er / 1940er Jahre zu lesen, die mit dieser damals "hippen" Musik genauso rebellierten, wie andere Jugendliche nach ihnen mit Rock 'n Roll. 
Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen. Margas und Michaels Leben spielt sich im Schatten der Naziherrschaft und des Zweiten Weltkrieges hauptsächlich in Deutschland und Frankreich ab. Michael ist Halbjude und muss sich deshalb unter falscher Identität verstecken. Marga versucht, mit einer Karriere als Sängerin ihm zu folgen und nah zu sein. Sie ist erstaunlich naiv und bringt sich und andere dadurch immer wieder ungefährliche Situationen, aus denen Harald Alsen sie jedes Mal auf bewundernswerte Weise rettet. Dem gegenüber steht eine zweite Zeitebene, die Handlung spielt 1999, als Andrea und Michael auf den Spuren der Swingmusiker in Paris zusammentreffen. Verbindendes Element beider Zeitstränge ist Jules Delaborde, ein bekannter französischer Musiker, der im durch die Nazis besetzten Frankreich Klarinette oder doch Gitarre spielte? 
Gerade das Hin- und Herspringen zwischen den zeitlichen Ebenen lässt die Gegensätze der beiden Zeiten schmerzhaft deutlich werden. Einerseits Verdunklung, Bespitzelung und staatliche Willkür. Andererseits alle Freiheit, die ein junger Mensch sich wünschen kann. Dass "Swing-Kids" für ihre Liebe zur Musik des "Feindes" sogar in KZs gesteckt wurden, finde ich entsetzlich. 
Bewundernswert finde ich, wie die Autorin es schafft, mit wenigen Worten und Sätzen ein Bild zu malen, sodass wir uns mitten hineingezogen fühlen ins hektisch Treiben am Bahnhof der Vorkriegszeit, ins verdunkelte Paris oder ins gleißend bunte Lissabon. Ganz nebenbei erfahren wir viele historische Details und erlaben am Beispiel von Marga die Naivität des deutschen Volkes, das zum Großteil hoffte, den Krieg "aussitzen" zu können. 
Ein wenig traurig habe ich mich am Ende des Buches von den liebgewordenen Freunden Marga, Michael, Harald, Jules, Frank, Andrea und Barbara verabschiedet. Das "Happy End" habe ich persönlich nicht so empfunden. Sicher, es war schön für alle Beteiligten. Aber Marga und Barbara wurden 55 gemeinsame Jahre geraubt! 
Alles in allem ein sehr gefühlvolles, berührendes Buch um Menschen und ihre Suche nach Liebe und Glück zu unterschiedlichen Zeiten der deutschen Geschichte. Klare Leseempfehlung und 5***** Sterne.
Das Taschenbuch ist im PIPER Verlag erschienen, hat 540 Seiten und kostet 9,99 Euro. Das E-Book kostet 8,99 Euro.

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